Ein Kommentar zum Änderungsantrag 33 zum PSG III (78 KB)

Zu früh gefreut?!
23.10.16

Ein Kommentar zum Änderungsantrag 33 zum PSG III

Im Zuge der Verabschiedung des PSG III soll die Rechtsproblematik osteopathisch tätiger Physiotherapeuten durch die angehängte Änderung des Physiotherapeutengesetzes gelöst werden. Ein großes Paket, die Pflege betreffend, wird geschnürt und ein Problem, das man von Tisch haben will, wird dazu gepackt. Im Rahmen des gesamten Verfahrens spekuliert man, dass das Thema, wie die Osteopathie geregelt wird, kaum auf Herz und Nieren geprüft werden kann. Zugegebenermaßen eine Lobby-Meisterleistung all der Interessengruppen, die die Osteopathie als Teil der Physiotherapie/ manuellen Therapie betrachten.

Auch ein Beispiel dafür, dass politische Entscheidungen, die zu einem Gesetz führen, nicht sachlich inhaltlich geleitet werden, sondern nach Abwägung von Interessengruppen. Für das kommende Wahljahr hat man einerseits 140.000 Physiotherapeuten, die glauben, dieses Gesetz stärke ihren Beruf, und wenige tausend ärztl. und nichtärztliche Osteopathen, die dieses Gesetzesvorhaben strikt ablehnen müssen.

Der rechtsfreie Raum: eine Fehlinterpretation mit katastrophalen Folgen
Seit dem Anhörungsverfahren am 17.10.16 überschlagen sich die positiven Stellungnahmen von Ärzten- und Physioverbänden, die ihren Mitgliedern suggerieren, das berufsrechtliche Problem, das die Osteopathie mit sich bringt, sei gelöst. Eine Euphorie, die osteopathisch tätigen Physios signalisiert, ihr steht zukünftig nicht mehr im rechtsfreien Raum!

Dies ist ein gefährliches Trugbild, denn wie so oft bei schnell gestrickten Gesetzen hat man einen Kardinalfehler begangen, der sich über die Grundsätzlichkeit des zu lösenden Problems hinwegsetzt.

Nach allgemein gültiger Rechtslage und Auffassung ist die Osteopathie Heilkunde! Demnach sind nur Ärzte und HPs berechtigt, die Osteopathie umfänglich und eigenverantwortlich auszuüben! Dies wurde zuletzt durch das vielzitierte Urteil des OLG Düsseldorf ausdrücklich bekräftigt. Das Urteil hat zudem das Ausmaß der Problematik, dass osteopathisch tätige Physiotherapeuten gegen Berufsgesetze verstoßen und sich damit auch strafbar machen, in die Öffentlichkeit getragen.

Physioverbände und die Mehrheit der Osteopathieverbände kreierten das angebliche Problem eines rechtsfreien Raumes, in dem sich ihre Mitglieder befänden. Damit sollte politischer Druck erzeugt werden, um einerseits das Vorhaben der Physiotherapeutisierung der Osteopathie und andererseits die Forderung nach einem eigenen Berufsstand Osteopath zu stärken. Nur den rechtsfreien Raum gab und gibt es nicht. Schon immer darf die Osteopathie nur betreiben, wer die Befugnis zur Ausübung der Heilkunde erlangt hat. In Deutschland ist dies der Arzt oder HP. Einen jahrzehntelangen, tausendfachen und nie geahndeten Verstoß gegen das HP-Gesetz als rechtsfrei zu erklären, vertuscht die herrschende Gesetzeslage.

Das Urteil bekräftigte zudem einen dringenden Handlungsbedarf. Die Frage, wie die Osteopathie rechtssicher zu regeln sei und wie darüber die Patientensicherheit hergestellt werden könne, wurde aktueller denn je. Seitens der Physiotherapie wurde gar die existentielle Gefährdung Teile ihres Berufsstandes angeführt.

In dem Maße wie das Problem der osteopathisch tätigen Physiotherapeuten zum Hauptthema wurde und auch von den Osteopathieverbänden in den Vordergrund gestellt wurde, hat es den Entscheidungsweg, wie die Sachlage zu lösen sei, mitgeprägt. Die Initiatoren dieses Gesetzes versuchen das Problem nicht für die Osteopathie, sondern für die Physiotherapie zu lösen. Zu Recht darauf spekulierend, dass die 20-jährige Forderung nach einem eigenständigen Beruf keine Chance hat, ihr Vorhaben aufzuhalten. Das seit einigen Jahren vorangetriebene Projekt der Physiotherapeutisierung der Osteopathie seitens der DGMM und der Physioverbände soll nun in Gesetzesform gegossen werden.

Osteopathie kann nicht aufgeteilt werden in Heilkunde und Heilmittel
In der Begründung des OLG-Urteils steht ein anderer wesentlicher Aspekt, nämlich, dass die Osteopathie nicht Bestandteil der Ausbildung zum Physiotherapeuten sei.

Der genial erscheinende Schachzug: die Osteopathie wird in die Ausbildung der Physiotherapie integriert! Über die formale Aufnahme von 6o h Unterrichtseinheiten in die Physiotherapieausbildung sollen die Physiotherapeuten prinzipiell berechtigt werden, Osteopathie ausüben zu dürfen. Diese Grundausbildung in Osteopathie entspricht 4 % der Osteopathieausbildung nach BAO-Standard! Damit scheint dem Urteil gefolgt zu werden, um die Rechtssicherheit herzustellen. Das Gegenteil ist der Fall, die Problemlage von einigen tausend osteopathisch tätigen Physiotherapeuten wird zukünftig auf deren gesamten Berufsstand ausgeweitet. Hier von Patientensicherheit zu sprechen, ist ungeheuerlich. Dieser Schachzug führt unweigerlich zum Schachmatt des Spielers. Ausgehend von der Prämisse, dass Osteopathie Heilkunde ist, ändert sich an der Rechtslage nichts!

Das neue Gesetz berechtigt die Physiotherapeuten nicht zur Ausübung der Heilkunde. Das Gesetz kann der Osteopathie den Status der Heilkunde nicht aberkennen und sie zum Heilmittel degradieren. Auch zukünftig darf der Physiotherapeut nur im ärztlichen Delegationsverfahren und im Rahmen seiner berufsrechtlich geregelten Tätigkeit osteopathisch behandeln. Wesentliche Behandlungselemente, die der Physiotherapeut in einer BAO-gemäßen Ausbildung gelernt hat, darf er weiterhin nicht praktizieren, da er auch zukünftig gegen das HP-Gesetz verstößt.

Der Vorschlag der BÄK und DGMM den undefinierten Begriff „Osteopathie“ im Gesetzestext in „osteopathische Therapie“ zu ändern und die Manipulationstechniken den Ärzten zu überlassen, löst das Problem nicht. Ein Regelwerk, das dem Physiotherapeuten Sicherheit und Grundlage für seine osteopathische Tätigkeit gibt, ist nicht vorgesehen. Dieses denkbare Unterfangen wäre tatsächlich auch nicht durchführbar. Welche Expertengruppe sollte die gesamte Osteopathie filtern in Methoden und Techniken, die einem Heilmittel entsprächen? Was bleibt den Ärzten und Heilpraktikern vorbehalten und was darf der Physiotherapeut auf Verordnung ausüben? Dies ist im Alltag weder praktikabel noch für die Gesundheitsbehörden überprüfbar. Darauf hatte bereits das bayer. Gesundheitsministerium hingewiesen.

Die Verantwortung für die Patienten- und Therapeutensicherheit trägt der Gesetzesgeber
Der Physiotherapeut bleibt weiterhin in seiner Verantwortlichkeit alleine gelassen, was er am Patienten anwenden darf.

Ein markantes Beispiel: Nach einem manipulativen Eingriff an der oberen HWS (der Physiotherapeut hat die Chiropraxis über viele Jahre in seiner Osteopathieausbildung erlernt) kommt es zu einem Schlaganfall. Den Physiotherapeuten träfe nicht nur eine strafrechtliche Schuld. Da er in diesem Fall seiner Kompetenzüberschreitung berufshaftpflichtig nicht ausreichend versichert wäre und er somit allein mit seinem Privatvermögen haftet, wäre seine Existenz bedroht und die dem Patienten zustehende Entschädigung nicht gesichert.

Wir dürfen nicht auf so ein Ereignis warten, das dann die Mängel dieses Änderungsgesetzes in einem Gerichtsverfahren aufzeigt. Die politische Verantwortung in so einem Fall läge nicht nur beim Gesundheitsminister Herrn Gröhe, sondern bei allen, die an diesem Gesetz mitgewirkt haben. Im gesamten Verfahren ist allen Beteiligten bewusst, dass das Gesetzesvorhaben den internationalen Standard der Osteopathie ignoriert. In den letzten Monaten haben alle Verbände, die eine umfängliche Osteopathie vertreten, den Gesundheitsminister eingehend informiert.

Mitnichten beruht das Gesetzesvorhaben auf einem Unverständnis der Osteopathie. Es ist ein Affront gegen 20 Jahre ärztliche und nichtärztliche Osteopathie, die auf hoher therapeutischer Ebene ausgeführt wird. Es verschlechtert die Patientensicherheit und dient allein der Zufriedenstellung berufsgruppenspezifischer Interessen von Physiotherapeuten und Manualmedizinern.

Das Gesetz darf in dieser Form nicht verabschiedet werden!

Michael Kaufmann
Vorsitzender OIHH
info@osteopathen-in-hamburg.de