Die Geschichte der Osteopathie
Die Osteopathie wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts von Dr. Andrew Taylor Still (1828-1917), einem amerikanischen Arzt, begründet. Still lernte die Medizin als Handwerk von seinem Vater, einem Prediger und Arzt, und begann seine medizinische Tätigkeit in einem Reservat der Shawnee Indianer. Deren Sichtweise auf den Menschen, die Natur und das Streben nach Gesundheit sollte ihn nachhaltig prägen.
Während des Bürgerkriegs Ende der 1850er Jahre arbeitete Still als Chirurg. Da sein Auskommen als Arzt nicht immer reichte, war er zeitweilig auch als Landarbeiter tätig.
Die Anfänge der Osteopathie
Stills Tätigkeit als Arzt war dadurch geprägt, dass die damalige Medizin den meisten Krankheiten machtlos gegenüberstand. Medikamente, Impfstoffe oder Narkosemittel gab es nicht oder kaum. Tagtäglich starben Menschen an Infektionen, Krankheiten oder im Kindsbett. Auch seine eigene Familie blieb nicht verschont: so starben drei seiner Kinder an Meningitis, eines an einer Lungenentzündung und seine Frau verlor er nach Geburtskomplikationen.
Angesichts dieser Erfahrungen wollte Still nichts weniger als eine bessere Medizin schaffen. Er beschäftigte sich mit verschiedenen medizinischen, esoterischen, heilkundlichen und philosophischen Schriften. Zudem war er ein besessener Anatom. Im Selbststudium erforschte er die anatomischen Strukturen des Menschen, ihre Form, Lage und Mobilität sowie deren Zusammenhang mit ihrer Funktion.
Still lehnte die damals existierenden Medikamente, die oft schwerste Nebenwirkungen aufwiesen, ab. Dafür beherrschte er das manuelle Mobilisieren und Richten von Gelenken. Diese Methoden entwickelte er weiter, um die Funktion auch bei anderen Strukturen wiederherzustellen. Seine Vision war es, die gestörte Mobilität von Knochen, Gelenken, Faszien, Organen, Gefäßen und Nervenverläufen zu korrigieren und somit die Gesundung des Körpers durch Selbstheilung zu ermöglichen. Seine neue Form der Medizin nannte er Osteopathie und verkündete sie am 22. Juni 1874.
Kirksville und der Erfolg
Zunächst wurde die Osteopathie nicht ernst genommen. Doch bald sprach sich der Erfolg von Stills Arbeit herum. Zahlreiche Patienten kamen nach Kirksville, wo sich Still mittlerweile niedergelassen hatte, und immer mehr Ärzte wollten die Osteopathie erlernen. 1892 gründete Still schließlich die erste Schule für Osteopathie in Kirksville.
Seitdem wurde Stills Konzept nicht nur fortlaufend erweitert, sondern verbreitete sich auch in anderen Ländern. 1917 gründete John Martin Littlejohn (1866-1954), ein Schüler Stills, mit der British School of Osteopathy (BSO) in London die erste Osteopathieschule in Europa. William Garner Sutherland (1873-1954) forschte vor allem am Schädel und entwickelte die sog. kraniosakrale Osteopathie. Jean-Pierre Barral (geb. 1944) gilt als Wegbereiter der viszeralen Osteopathie.
Osteopathie heute
Die gesetzliche Regelung und Anerkennung der Osteopathie wird in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich gehandhabt. Seit 1960 sind in den USA die osteopathisch arbeitenden Ärzte (D.O.) den medizinisch arbeitenden Ärzten (M.D.) gleichgestellt.
In England gibt es seit 1993 eine gesetzliche Regelung (Osteopathic Act) für die Ausübung des Berufs als Osteopathin/Osteopath. Osteopath/innen sind im GOsC (General Osteopathic Council) registriert und dürfen sich Osteopath/Osteopathin nennen.
In Deutschland wird die Ausbildung seit Anfang der 1980er Jahre in größerem Umfang angeboten. Die Ausbildung kann berufsbegleitend oder in Vollzeit erlernt sowie an privaten Hochschulen studiert werden.
Vollumfänglich ausüben dürfen die Osteopathie nur Heilpraktiker oder Ärzte. Die Berufsbezeichnung Osteopath/Osteopathin ist in Deutschland jedoch leider nicht geschützt – nur in Hessen ist sie eine gesetzlich geregelte Fortbildungsbezeichnung.